Nachts in der Tierklinik, 2.30 Uhr, mein Notfalltelefon klingelt. Eine aufgelöste Besitzerin ist am Telefon und berichtet, dass ihr 5-jähriger Labrador „Bello“ seit einer halben Stunde unruhig sei und versuche zu erbrechen, es käme aber nichts heraus. Es sei ihr ausserdem aufgefallen, dass Bellos Bauch immer grösser wird.
Bei dieser Vorgeschichte schrillen bei einem Tierarzt direkt alle Alarmglocken – denn die beschriebenen Symptome zusammen mit der Tatsache, dass es sich um einen grossen Hund handelt, passen zur Diagnose einer Magendrehung. Und dabei handelt es sich um einen echten Notfall, bei dem jede Minute zählt!
Die Besitzerin ist auf schnellstem Weg zu uns in die Tierklinik gekommen. Dort konnten wir eine Magendrehung mithilfe eines einzigen Röntgenbildes bestätigen.
Was genau ist eine Magendrehung?
Eine Magendrehung beim Hund, auch als Magentorsion (oder auf Schlau Torso ventriculi) bekannt, ist eine akute und lebensbedrohliche Erkrankung, bei der sich der Magen des Hundes um seine eigene Achse dreht. Dies führt zu einer Behinderung des Mageninhalts und des Blutflusses zum Magen. Normalerweise ist der Magen an der Bauchwand durch Bänder fixiert, aber bei manchen Hunden kann eine Kombination aus bestimmten anatomischen Merkmalen, wie einer tiefen Brust, und bestimmten Verhaltensweisen, wie schnelles Fressen oder Trinken großer Mengen Wasser auf einmal, zu einer Magendrehung führen.
Welche Symptome zeigen Hunde bei einer Magendrehung?
Die Symptome einer Magendrehung können sehr schnell auftreten und sind oft dramatisch. Dazu gehören erfolglose Versuche zu erbrechen, aufgeblähter Bauch, Unruhe, Speicheln, blasse Schleimhäute, schneller Herzschlag und Schwäche. Da eine Magendrehung zu einem schweren Schock und Organversagen führen kann, ist eine sofortige tierärztliche Behandlung unerlässlich.
Wie wird eine Magendrehung beim Tierarzt diagnostiziert?
Die Diagnose einer Magendrehung erfolgt in der Regel durch eine klinische Untersuchung und eine rechtslaterale Röntgenaufnahme des Bauches. Auf der Röntgenaufnahme sieht man in den allermeisten Fällen einen grossen, aufgegasten Magen in Zipfelmützenform (sogenannte Double Bubble unter Tierärzten). Die eine Röntgenaufnahme ist zur Diagnosenstellung ausreichend.
Wie wird eine Magendrehung behandelt?
Die Behandlung erfordert eine schnelle Stabilisierung des Hundes, denn die allermeisten Tiere sind bei Ankunft in der Tierklinik schon in einem sehr schlechten Allgemeinzustand. Den Hunden werden an beiden Vordergliedmassen grosslumige Venenkatheter gelegt und sie erhalten Infusion im Schuss. Es wird ein volles Blutbild angefertigt, um eventuelle Organschädigungen einschätzen zu können. Je nach Zustand erhalten die Hunde ausserdem Sauerstoff. Wichtig ist auch die Gabe eines starken Schmerzmittels. Vor der OP kann eine Abgasung des Magens durchgeführt werden. Entweder versucht man dies mittels Sonde, die über die Speiseröhre in den Magen eingeführt wird – in den meisten Fällen ist das allerdings erfolglos, weil der Mageneingang nicht passierbar ist, wenn der Magen in sich selbst verdreht ist. Alternativ kann man mit einer Nadel von aussen in den Magen stechen und so die Luft ablassen (natürlich unter Ultraschallkontrolle, damit man sicher ist, dass man nicht zum Beispiel die Milz ansticht!). Ist der Hund kreislaufmässig stabil (so gut es eben geht bei diesen Patienten), geht er schnellstmöglich in die OP. Der Magen wird zurückgedreht und es wird ausserdem empfohlen eine sogenannte Gastropexie durchzuführen. Dabei wird der Magen an der Bauchwand festgenäht, was in Zukunft verhindert, dass es erneut zu einer Magendrehung kommt.
Warum sind Magendrehungen so gefährlich?
Magendrehungen sind äusserst gefährlich und ein absoluter Notfall, bei dem jede Minute zählt. Denn durch die Drehung des Magens um sich selbst, kommt es zu einem Unterbruch des normalen Blutflusses, was zu einem raschen Gewebetod des Magens führen kann. Ausserdem kann es durch die Verdrehung des Magens zur Beeinträchtigung der Durchblutung anderer lebenswichtiger Organe kommen und bei betroffenen Hunden zu einem schweren Schockzustand führen. Ohne sofortige tierärztliche Intervention führen Magendrehungen (in den allermeisten Fällen) deshalb schnell zum Tod. In seltenen Fällen kann der Magen sich auch spontan selber zurückdrehen und es muss keine Operation erfolgen. Darauf sollte man sich allerdings nicht verlassen, sondern bei Verdacht auf eine Magendrehung immer sofort auf direktem Weg in die Tierklinik fahren.
Kann man der Magendrehung beim Hund vorbeugen?
Es gibt leider kein Geheimrezept, wie man Magendrehungen beim Hund sicher verhindern kann. Es ist sicher ratsam, nicht zu grosse Portionen zu füttern, sondern besser mehrere kleinere Portionen über den Tag verteilt – denn ein weniger gefüllter Magen dreht sich weniger schnell als ein prallvoller. Ausserdem sollte man direkt nach den Mahlzeiten nicht unbedingt mit dem Hund viel spielen oder ihn herumrennen lassen. Wenn Sie einen Hund haben, der generell prädisponiert ist, eine Magendrehung zu bekommen (grosse, tiefbrüstige Hunde sind am häufigsten betroffen), kann man vorbeugend eine Gastropexie durchführen, wenn der Hund sowieso mal aus einem anderen Grund operiert werden muss (zum Beispiel bei Hündinnen die Kastration). Lassen Sie sich da am Besten von Ihrem Tierarzt beraten der Ihren Liebling kennt.
Und Bello..?
Bello wurde von uns schnellstmöglich stabilisiert, abgegast und ist dann auf direktem Weg in den OP gegangen. Er hatte Glück – der Magen sah noch vital aus, er wurde zurückgedreht und gastropexiert. Bello ist eine Nacht stationär geblieben und hat Schmerzmittel und Infusion erhalten. Schon am nächsten Tag hat er wieder mit Appetit gefressen und konnte bei gutem Allgemeinzustand nach Hause entlassen werden. Ein Happy End für Bello und seine Besitzer! :)